Montag, 9. Dezember 2019       Mariä Empfängnis

Mariä Empfängnis

Marianne BrandtEigentlich wird Mariä Empfängnis am 8. Dezember begangen, wegen des Zusammenfallens mit dem zweiten Advent „verschiebt“ es sich in diesem Jahr aber um einen Tag. Offiziell heißt es das „Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“.

Das Fest entstand etwa im 9. Jahrhundert und kam von der Ostkirche über England in den Westen. Bereits das Konzil von Basel (1439) erklärte Maria als von der Erbsünde unbefleckt. Rund 400 Jahre später (1854) wurde zum Dogma, dass Maria vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis an durch die Gnade Gottes „von jedem Fehl der Erbsünde rein bewahrt blieb“.

Die Geschichte zum Festtag*: Anna und Joachim warteten schon lange auf ein Kind. Als das Paar die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, ging Joachim 40 Tage in die Wüste, um zu fasten und zu beten. Und auch Anna betete zu Gott und bat ihn um ein Kind. Nun erschien beiden ein Engel, der ihnen zusagte, ihr Wunsch werde erfüllt. Anna empfing Maria und diese war ohne Sünde, „unbefleckt“ oder „begnadet“. Gnade meint, in der lebendigen Gegenwart des liebenden Gottes zu sein. Maria ist als Erste von der Erbsünde frei und macht Gott mit ihrem JA! den Weg frei, Mensch zu werden.
(*Die Quelle dazu fand keinen Eingang in die Bibel; sie ist auf etwa 150 n. Chr. datiert.)

Aufbruch!

Später, als der Engel die Botschaft für sie hat, sie werde Gottes Sohn zur Welt bringen, sagt Maria als „neue Eva“ bedingungslos JA! Ja zu Gott und Ja zu Jesus. JA! Bedingungslos. Frei. Mutig. Trotz der Ungewissheit – unverheiratet und unbeabsichtigt schwanger, mit einem Verlobten, von dem sie nicht weiß, ob er zu ihr stehen wird, in einer Gesellschaft, in der sie damit untergehen, an den Rand gedrängt werden könnte. „In diesen Tagen“ besucht Maria ihre Cousine Elisabeth. Sie ist ebenfalls schwanger, ebenfalls unerwartet, eigentlich zu alt für ein Kind. Da treffen sich zwei Frauen, deren Leben sich auf einen Schlag ändert. Der Evangelist Lukas beschreibt ihre Begegnung. Auf Elisabeths Begrüßung antwortet Maria:

Meine Seele preist die Größe des Herrn,
und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.
Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut.
Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.
Denn der Mächtige hat Großes an mir getan,
und sein Name ist heilig.
Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht
über alle, die ihn fürchten.
Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten:
Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind.
Er stürzt die Mächtigen vom Thron
und erhöht die Niedrigen.
Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben
und lässt die Reichen leer ausgehen.
Er nimmt sich seines Knechtes Israel an
und denkt an sein Erbarmen,
das er unseren Vätern verheißen hat,
Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.

Hier im Magnificat werden radikale Umwälzungen beschrieben, ein Verkehren der Situation von Reichen und Armen, von Mächtigen und (Er-)Niedrig(t)en, Hochmütigen und Demütigen. Im Advent können wir das Magnificat als Hinweis darauf lesen, dass unsere weltliche Welt zu Gottes Welt, zum Reich Gottes, werden kann. Dazu braucht es unser In-den-Blick-nehmen des Menschen. Bereite dem Herrn den Weg, erfahre Gott in Deinen Mitmenschen, liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.

Dietrich Bonhoeffer schreibt: „Dieses Lied der Maria ist das leidenschaftlichste, wildeste, ja man möchte fast sagen revolutionärste Adventslied, das je gesungen wurde.“

Revolution, Reform, Erneuerung. Was ist heute nötig?

Im September 2018 wurden die Ergebnisse der MHG-Studie (Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch Kleriker) veröffentlicht. Diese war von der Deutschen Bischofskonferenz beauftragt worden und weist auf kirchliche Strukturen und Dynamiken hin, die Missbrauch begünstigen können.

Viele von uns hat der Missbrauch von Kindern und Schutzbefohlenen durch Priester, Diakone und Ordensangehörige tief verstört und fassungslos gemacht. Wir hörten vom Aufruf von Münsteraner Frauen zu einer Streikwoche und schnell stand für uns, fünf Frauen im Pfarrgemeinderat, fest, dass „Maria 2.0“ auch in Frankfurt stattfinden solle. Im Marienmonat waren wir in jener Woche jeden Tag an einem Kirchort der Dompfarrei präsent, beteten, sangen, tauschten uns aus und forderten Veränderungen in der Kirche. Wir erfuhren, wie ungewohnt es für uns war, öffentlich von unserem Glauben zu sprechen, für die Kirche und unsere Forderungen einzustehen – für gründliche Aufklärung von Missbrauchstaten, sorgsamen Umgang mit den Opfern dieser Taten, gleiche Würde und gleiche Rechte für Frauen (inkl. der Weiheämter) und alle in der Kirche, Aufhebung des Pflichtzölibats und Veränderung von Machtstrukturen. Wir waren es nicht gewohnt, unsere Verzweiflung, unser Entsetzen, die gefühlte Machtlosigkeit, Enttäuschung und Wut öffentlich zu machen. Die Menschen waren offen. Wir erlebten Unterstützung, Gespräch auch mit Andersdenkenden und Gemeinschaft. In uns wuchs Hoffnung.

Ein halbes Jahr später: Die katholische Kirche kommt nicht mehr zur Ruhe, ihre Glaubwürdigkeit ist in der öffentlichen Wahrnehmung vollends den Bach herunter gegangen. Nahezu täglich kommen neue Fälle, in denen von Missbrauch und von Vertuschung durch die Kirche und ihre Amtsträger die Rede ist, ans Licht. Diese Entwicklung zeigt sich nicht nur in Deutschland, sondern über den ganzen Erdkreis hinweg. So werden Diözesen und Orden in den USA aktuell von einer ansteigenden Klagewelle erfasst, einige stehen vor der Insolvenz und sind in ihrer Existenz bedroht. Und die Katholiken? Viele verstehen ihre Kirche nicht mehr. Weiter wie bisher führt nicht mehr weiter, sondern direkt auf die Wand zu. Also: Wie geht es weiter?

Marienmut

Im Magnificat zeigt sich Maria nicht von einer sanften, duldsamen, blind gehorsamen Seite. Ihre Freude quillt und springt über. Obwohl ihr Leben auf dem Kopf steht, ist sie voll Mut und Gottvertrauen. Damit kann sie uns auch über den Advent hinaus Vorbild für den Aufbruch der Kirche und der Gläubigen sein, für unseren Aufbruch. Hand aufs Herz: Es kann nur was werden, wenn wir machtvoll mittun. Die Kirche sind wir, ein Leib und viele Glieder.

Der Kirche steht Buße und mutige Umkehr im Advent und in dieser Zeit gut zu Gesicht. Daher die Fragen an Dich: Was ist mein Beitrag zu der Kirche, wie sie sich gerade zeigt? (Üb-)Erhöhe ich Priester? Mache ich es mir bequem mit meiner Erwartungshaltung, von Seelsorgern stets gut versorgt zu werden? Welche meiner von Gott geschenkten Geistesgaben gebe ich?

Aufbruch!

Aus den Ergebnissen der MHG-Studie leiten sich die Arbeitsfelder des Synodalen Wegs ab. Das Arbeitsfeld Frauen kam später hinzu, man munkelt, „Maria 2.0“ habe dabei eine Rolle gespielt. Am 1. Advent hat dieser „deutsche Weg“ begonnen, der bereits vor dem Start Zündstoff über Deutschland hinweg bis zum Vatikan bietet. Einige fragen, was der Weg soll, da man nur wieder zum Evangelium zurückkommen müsse und neu missionieren. Andere beklagen, dass die Bischöfe wieder das letzte Wort hätten, die Entscheidungsmacht. Weitere fürchten, dass geweckte Hoffnungen, so sie sich nicht erfüllten, den Exodus aus der Kirche heraus befeuern könnten. Aber es ist eine Chance. Die Chance zum Hinhören, zum Gespräch und zur leidenschaftlichen Auseinandersetzung. Dafür braucht es Mut, Gottvertrauen und Geistkraft. Begleiten Sie den Weg durch Ihr Gebet und unter dieser Adresse: www.synodalerweg.de/ihre-stimme-zum-synodalen-weg

Gemeinsamer „Mutausbruch“ am Donnerstag, 12.12.19, 19 Uhr, Domplatz

Und für die, die es „analog“ und praktisch mögen: Das Magnificat (Taizé) und Mut singen sich Frauen und Männer seit Mai jeden 2. Donnerstag im Monat ab 19:00 Uhr auf dem Domplatz an. Für Informationen Nachricht sendet uns eine E-Mail.

Für unsere Forderungen stehen wir bei einer Kundgebung entlang des Synodalen Wegs am 30.01.2020 ein, feiern am Freitag, den 31.01.2020, 18:30 Uhr, einen Gottesdienst und halten anschließend von 21:00 bis 6:00 Uhr Nachtwache auf dem Domplatz. Herzliche Einladung!

Advent - Wir bereiten uns auf die Ankunft Gottes als Mensch vor. Bereiten wir uns auf die Ankunft Gottes in uns vor. JA! Damit die Freude überspringt und wir lebendig sind.

— Marianne Brandt, Gemeindemitglied und aktiv bei Maria 2.0

 


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