Sonntag, 9. Dezember 2018  ✤  Zweiter Advent

Eine Runde Mitleid - mit Herodes

Rektor Dr. Stefan ScholzVon seinem Vater nach Rom verfrachtet,
in Sorge vor Attentaten auf sein Leben;
dort am Kaiserhof erzogen;
untilgbarer Makel für viele –
nur Halbjude;
vom Senat des römischen Volkes zum König von Juda ernannt;
mit einer Streitmacht in sein Königtum eingefallen,
um sich zu erobern,
was dem Titel nach Sein war,
de facto aber von anderen regiert wurde;
Heirat aus politischem Kalkül mit einer Prinzessin des vormals regierenden Königshauses,
um auch nach innen hin seine Herrschaft zu festigen;
Vater zweier Söhne;
argwöhnend, das ehemalige Königshaus könnte sich ihrer bedienen,
sie könnten zu Vatermördern werden,
wurde er, der Vater, lieber ein Kindsmörder;
die Orthodoxen im Land mit einer Prachtrenovierung des Tempels bauchpinselnd;
die Verehrer anderer Götter mit Tempeln bedenkend,
den Römern lieb Kind,
ein listiger Fuchs,
Ränke schmiedend, die Nase immer im Wind,
was politisch gerade hochkochte,
seinen Feinden eine Nasenlänge voraus,
lieber einen zuviel als zuwenig umgebracht,
dass keiner an seinem Thron sägte –
Politik im Ausgleich der Interessen und der Wahrung von Macht hat ihre eigenen Gesetze.
Der große Herodes – ein kleines Kind,
immer in Sorge um Thron, Herrschaft, Leben.
Die kleinen Leute – Profiteure,
wenn es die Regierenden in Sachen Gewissen nicht so eng nehmen,
Vorteile raushauen,
Konkurrenten in die Knie zwingen;
zum Schluss fragt keiner mehr,
wie die Sache lief.
Erfolg heiligt die Mittel.
Die kleinen Kinder und die großen Kinder schrieben gern anders Geschichte.
Dass der Groß der genannt würde,
der Vertrauen und Ehrlichkeit groß schriebe,
der Frieden schüfe und alle Kinder sein ließe.
Herodes der Große hatte es selbst schwer und machte es anderen schwer.
Eine Runde Mitleid – mit Herodes.
Die unter ihm litten,
kein Geschichtsschreiber machte sich die Mühe,
Kinderkram zu notieren.

— Rektor Dr. Stefan Scholz


Hintergründe zum Lied:

Der „Coventry Carol“ (Coventry-Weihnachtslied) ist ein englisches Weihnachtslied aus dem 16. Jahr­hundert. Der Text stammt aus einem Mysterienspiel aus Coventry aus dem 15. Jahrhundert. Das Lied weist auf den bethlehemitischen Kindermord, den im Matthäusevangelium überlieferten Mord an allen Knaben Betlehems auf Befehl König Herodes des Großen. Es wird in dem Spiel von den Frauen Bethlehems gesungen, bevor die Geschehnisse einsetzen.

Text auf Englisch

Lully, lullay, Thou little tiny Child,
Bye, bye, lully, lullay.
Lullay, thou little tiny Child,
Bye, bye, lully, lullay.

O sisters too, how may we do,
For to preserve this day
This poor youngling for whom we do sing
Bye, bye, lully, lullay.

Herod, the king, in his raging,
Charged he hath this day
His men of might, in his own sight,
All young children to slay.

That woe is me, poor Child for Thee!
And ever mourn and sigh,
For thy parting neither say nor sing,
Bye, bye, lully, lullay.

Text auf Deutsch

Luli, lulai, Du kleines, winziges Kind,
Bai, bai, luli, lulai.
Lulai, du kleines, winziges Kind,
Bai, bai, luli, lulai.

Oh Schwestern, was können wir tun
Um heute zu schützen
Diesen armen Jüngling, für den wir singen
Bai, bai, luli, lulai.

Herodes, der König, in seinem Wüten
Beauftragt hat er heute
Seine Soldaten in seinen Diensten,
Alle jungen Kinder abzuschlachten.

Von mir dieser Weheruf, armes Kind, für Dich!
Und immerdar Trauer und Seufzen,
Für dein Scheiden weder Sprache noch Gesang,
Bai, bai, lulai, lulai.

 

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