Samstag, 1. Dezember 2018

Die Adventszeit einläuten

Seit 1856 erklingen am Samstag vor dem ersten Advent beim Großen Frankfurter Stadtgeläute für eine halbe Stunde lang alle 50 Glocken der zehn Frankfurter Innenstadtkirchen.

Die imposanteste unter ihnen ist sicher die "Gloriosa", die größte Glocke unseres Kaiserdoms St. Bartholomäus. Sie ist 2.663 mm hoch, hat am Schlagring einen Durchmesser von 2.585 mm und wiegt stolze 11.950 kg. Alleine ihr Klöppel ist 2.700 mm lang und bringt etwa 380 kg auf die Waage. Nicht nur ihre Ausmaße, sondern auch ihr Einsatz sind etwas Besonderes: außer beim Großen Frankfurter Stadtgeläute ertönt sie nur zum Hochamt an Hochfesten sowie zu Pontifikalämtern und zu Pontifikalrequien im Zusammenspiel mit den anderen Glocken des Doms. Beim Bekanntwerden des Todes eines Bischofs oder Papstes wird die Gloriosa alleine geläutet.

Wer während ihres Läutens vor dem Glockenturm des Doms steht oder sich in seiner Eingangshalle aufhält, kann ihre Erhabenheit nicht nur hören, sondern auch fühlen. Wenn fast 14 Tonnen Glockenbronze in Schwingung geraten, gehen diese Vibrationen durch meterdicke Mauern und sind körperlich spürbar.

Was also könnte dieser Majestät unter den Frankfurter Innenstadtglocken den Rang ablaufen? Der Lärm unserer Zivilisation! Während des Großen Frankfurter Stadtgeläutes ist der Klang der Gloriosa auf der Zeil – gerade einmal 500 Meter Luftlinie vom Dom entfernt – nicht mehr zu hören, ja nicht einmal mehr zu erahnen. Die Menschenströme, die sich auch heute Nachmittag wieder in vorweihnachtlicher Kauflaune über diese Einkaufsstraße ergießen werden, sind lauter als eine der größten Kirchenglocken unseres Landes.

Das ist in den Seitenstraßen südlich der Zeil anders. Dort, fernab glitzernder Schaufester, der Hauptverkehrsadern und des Trubels, ist das tiefe Wummern der Ruhmvollen noch deutlich zu hören. Probiert es doch einfach mal aus und geht heute Nachmittag (oder am Heiligen Abend, an dem das Große Frankfurter Stadtgeläute noch einmal erklingen wird) von der Konstablerwache auf Schleichwegen zum Dom.

Überhaupt wollen wir Euch in diesem Advent immer mal wieder auf Seitenwege schicken. Dorthin, wo es weder schillernd noch mondän ist. An die Rückseiten schöner Fassaden; an Orte, an denen schnell Einsamkeit und Beklemmung aufkommen können; an Stätten, die statt Weihnachtsglanz Tristesse ausstrahlen. Die Adventszeit ist der bewusste Weg auf Weihnachten hin. Wenn wir uns vom vorweihnachtlichen Lichtermeer nicht blenden lassen, dann lässt sich das Kind in der Krippe sicher auch inmitten prächtig herausgeputzter Konsumtempel finden; deutlicher aber wohl dort, wo es dunkel, düster, kalt und – inmitten einer turbulenten Stadt – eigentümlich ruhig ist.

Für die vor uns liegenden Tage bis zur Heiligen Nacht wünschen wir Euch, dass Ihr die Botschaft von Weihnachten so deutlich spüren könnt, wie Ihr die Vibrationen der Gloriosa spüren könnt, wenn Ihr nur nahe genug dran geht.

 

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