Donnerstag, 17. Dezember 2020    

Winternacht

Weihnachten inmitten der zweiten Welle der Covid19-Pandemie wird anders. Liebgewonnene Traditionen lassen sich nicht leben. Feiern geht nur im kleinsten Kreis – wenn überhaupt. Viele Menschen werden die Heilige Nacht alleine verbringen müssen. Wird die frohe Kunde vom Licht, das in die Welt kam, um die Dunkelheit zu erhellen, Einsamkeit und Resignation vertreiben können? Oder werden sich viele eher mit dem Bild eines kahlen Baumes identifizieren können, der einst in vollem Blätterkleid stand und von dem man sich jetzt kaum vorstellen kann, dass er jemals wieder auch nur einen frischen Trieb haben wird?

Joseph von Eichendorffs Gedicht "Winternacht" greift dieses Gefühl auf. "Ich hab' nichts, was mich freuet", heißt es dort, und trifft vermutlich das Gefühl vieler Menschen in diesen Tagen. Aber es bleibt nicht bei dieser Freudlosigkeit. Denn Eichendorff weiß, dass auf den grimmen, kalten, dunklen Winter die Frühlingszeit folgen wird. Und dann wird dieser Baum, der "längst sein Laub verstreuet" hat, im neuen Blütenkleid erstrahlen und zu Gottes Lob rauschen.

Weihnachten ist das Fest der Zuversicht. Der Zuversicht, dass das Licht das Dunkel besiegen wird, dass Kälte der Wärme Platz machen wird und dass Resignation in Hoffnung, Trauer in Freude und Klage in Jubel umschlagen werden. Die Wurzel dieser Zuversicht ist das Kind im Stall von Bethlehem.


Winternacht

Verschneit liegt rings die ganze Welt,
ich hab' nichts, was mich freuet,
verlassen steht der Baum im Feld,
hat längst sein Laub verstreuet.

Der Wind nur geht bei stiller Nacht
und rüttelt an dem Baume,
da rührt er seinen Wipfel sacht
und redet wie im Traume.

Er träumt von künft'ger Frühlingszeit,
von Grün und Quellenrauschen,
wo er im neuen Blütenkleid
zu Gottes Lob wird rauschen.

– Joseph von Eichendorff (1819)



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