Samstag, 15. Dezember 2018

Auf dem Weg zum Weihnachtsmarkt...

Zu den mittlerweile bedeutendsten Traditionen in der Adventszeit gehört für viele der Besuch von Weihnachtsmärkten. Weltweit gesehen haben wir in Deutschland wohl die meisten und wichtigsten von ihnen. Man muss aber nicht in die Ferne schweifen, denn unser Frankfurter Weihnachtsmarkt braucht sich nicht hinter den bekannten Christkindles- oder Strietzelmärkten zu verstecken.

Zu seinen festen Institutionen gehört das Turmblasen vom Altan der Alten Nikolaikirche. Immer mittwochs und samstags schmettern Blechbläser aus schwindelerregender Höhe besinnliche und weihnachtliche Klänge über den Römerberg, während sich unter ihnen die Weihnachtsmarktbesucher an einem Glühwein wärmen, Würstchen vertilgen, sich von filigranem Weihnachtsschmuck verzaubern lassen oder sich die Zeit bis zur Heiligen Nacht mit original Frankfurter Bethmännchen versüßen.

Bei aller Heimeligkeit und weihnachtlicher Ausgelassenheit sollten wir auf dem Weg zum Weihnachtsmarkt ab und an mal nach rechts und links schauen. Nicht in die blinkenden und glitzernden Schaufenster; etwas weiter unten. Ja, man kann, man will sie meist übersehen, aber sie sind auch unsere Mitbürger: die Obdachlosen. Nicht nur zu dieser Jahreszeit sollten wir unseren Blick auf die Ausgegrenzten in unserer Gesellschaft richten. Aber solange es draußen noch halbwegs warm ist, kann man sich das Übernachten in den Hauseingängen noch als abenteuerliches Outdoorcamping schönreden. Jetzt, wo es draußen kalt geworden ist, geraten die elementarsten Bedürfnisse, einen Dach über dem Kopf zu haben und warm angezogen zu sein, zu bitterkalten Problemen.

Ja, unser Land ist ein reiches Land. Ja, theoretisch muss bei uns niemand auf der Straße leben. Ja, es gibt Hilfseinrichtungen. Warum diese Hilfe nicht immer greift und ergriffen wird, hat viele Gründe. Der Weg in die Obdachlosigkeit auch. Es können eine Sucht sein, Schicksalsschläge, Arbeitslosigkeit oder alles zusammen. Aber interessiert uns das wirklich? Kaum, wenn man Kommentare wie „das“ verschrecke Touristen oder „es“ werfe ein schlechtes Licht auf unser Land hört und liest oder das „Problem“ dadurch lösen will, Menschen ohne festen Wohnsitz einfach in Ecken der Stadt abzudrängen, in denen sie nicht so sichtbar sind.

Oft ist Obdachlosigkeit auch mit Betteln verbunden. Und da fangen die Fragen erst richtig an. Seit bekannt ist, dass auch sogenannte „Bettelbanden“ aktiv sind, fragen sich viele, wem sie überhaupt noch etwas geben sollen. Kommt das Geld bei dem Bedürftigen an – oder muss er es noch am selben Tag an die Anführer dieser kriminellen Organisationen abdrücken? Dabei sollte man nicht übersehen, dass Menschen, die betteln müssen, häufig dazu gezwungen werden oder aufgrund bestehender Abhängigkeit gezwungen sind. Auch bettelnde Menschen aus Osteuropa tun dies nicht, um sich einfach auf unsere Kosten durchzuschmarotzen. Sie haben nur bei sich zu Hause schlicht noch weniger Chancen. Wer glaubt, betteln wäre ein einfacher Weg, um schnell an Geld zu kommen, kann gerne den Selbstversuch unternehmen und sich für ein oder zwei Tage auf die Straße stellen.

Vorgestern lief im ARD-Morgenmagazin ein Beitrag zum Thema „Bettler: Wem gebe ich was?“ (siehe eingebettetes Video). Er griff viele dieser Fragen und Probleme auf. Eine sehr nüchterne, aber auch pragmatische Empfehlung eines Obdachlosen war, einfach mal den Menschen fragen, was er wirklich braucht. Geld ist immer hilfreich, Essen auch, aber das zehnte Brötchen hilft ihm nicht mehr wirklich. Damit erweist man diesen Menschen noch einen weiteren Dienst, der vielleicht sogar mehr wert ist als alle materiellen Hilfen: sie als Teil unserer Gesellschaft, als Mitmenschen ansehen, ihr Gesicht und ihre Stimme wahrnehmen und sie nicht nur als Hilfsempfänger von oben herab abspeisen.

 

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