Dienstag, 10. Dezember 2019

Menschenrechte gestern, heute... morgen?

Der Tag der Menschenrechte wird jedes Jahr am 10. Dezember begangen – dem Tag, an dem die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahre 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (UDHR) verabschiedete. In mehr als 500 Sprachen verfügbar, ist sie das am häufigsten übersetzte Dokument der Welt. Sie regelt die Rechte jedes Menschen, unabhängig von Rasse, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, Sprache, politischer oder anderer Meinung, nationaler oder sozialer Herkunft, Eigentum, Geburt oder anderem Status.

Aber woher kommt die Bestrebung, allen Menschen gewisse allgemeingültigen Rechte zuzugestehen? Denken wir an die Antike, fällt uns zwangsläufig Athen mit seiner (Proto-)Demokratie ein. Aber dort galten Rechte nur für einen relativ kleinen Kreis der Bevölkerung. Sklaven waren natürlich ausgenommen. Frauen übrigens auch, denn die klassisch griechische Epoche war eine stark patriarchalische Kultur. Und doch ist es ein Novum, dass 624 v. Chr. eine Gesellschaft die willkürliche Rechtsprechung einzuschränken versuchte. Daher verbinden wir häufig Menschenrechte auch mit demokratischen Strukturen.

Wesentlich interessanter ist, dass ein deutlich weiterreichendes Verständnis für die Universalität der Menschenrechte ausgerechnet im großen Gegenspieler Athens und der griechischen Stadtstaaten, dem persischen Königreich, zu finden ist. Als König Kyros der Große 539 v. Chr. Babylon erobert hatte, befreite er die Sklaven und erklärte, dass alle Menschen das Recht haben, ihre eigene Religion zu wählen. Auch stellte er die Gleichheit der Menschen aus allen Teilen der damals bekannten Welt heraus. Seine Erlasse, die den ersten vier Artikeln der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte entsprechen, wurden auf einen gebrannten Tonzylinder – dem sog. Kyros-Zylinder – aufgezeichnet. Die Vereinten Nationen erkannten sie 1971 als erste schriftliche Charta der Menschenrechte an und ließ sie in alle ihrer sechs Amtsprachen übersetzen. Somit ist gerade ein antikes Königreich der Ursprung der allgemein gültigen Menschenrechte, also ein Staatsgebilde, das wir heute eher mit Unterdrückung und Diktatur verbinden.

Im jüdisch-christlichem Kontext des Altertums gibt es mal deutlichere, mal verstecktere Hinweise auf ähnliche Denkweisen, wenngleich sie nie die Deutlichkeit des Kyros-Zylinders aufweisen.

Im ausgehenden Mittelalter wurden 1525 in Memmingen mit den „Zwölf Artikeln“ Forderungen der Bauern gegenüber dem Schwäbischen Bund aufgestellt, was als eine erste Menschenrechtserklärung in Europa angesehen werden könnte. Mit der Niederschlagung des Bauernaufstandes wurden zwar deren Anführer beseitigt und die Bauern wieder in die Unfreiheit gestürzt, ihre Ideen lebten aber weiter und wurden mit dem Beginn der Aufklärung wieder breiter diskutiert. Sie fanden Einzug in die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten vom 4. Juli 1776 und der Déclaration des droits de l’homme et du citoyen (Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte) in Frankreich vom 26. August 1789. In den folgenden zwei Jahrhunderten gab es immer wieder Einschränkungen, aber auch Fortschritte, und je mehr Staaten sich der Demokratie näherten, nahmen sie die Ideale aus den Verfassungen der Aufklärung zum Vorbild. Allerdings tat sich besonders die katholische Kirche (bis heute) mit den Menschenrechten schwer. Einige Hintergründe haben wir Euch im letzten Jahr aufgezeigt.

In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 wurden noch nicht alle Menschenrechte aufgeführt – durch weitere UN-Pakte wurden diese ausgeweitet. Besonders interessant ist, dass ausgerechnet die USA, die mit ihrer Verfassung von 1776 Vorreiter bei den Menschenrechten waren, zahlreiche der folgenden UN-Pakte zwar unterzeichnet, aber nie ratifiziert haben, darunter (als einziger Staat der Erde) die UN-Kinderrechtskonvention. Aber auch europäische Staaten sind nicht immer leuchtende Beispiele: die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen von 1990 wurde bisher von keinem europäischen, aber auch keinem einzigen Industrieland unterzeichnet.

Das zeigt, dass Demokratien auch heute noch nicht automatisch den weitreichenderen Schutz der Menschenrechte gewähren. Und gerade in den letzten Jahre wurde sichtbar, dass auch bei uns, im „aufgeklärten Europa“, Bestrebungen existieren, die universellen Rechte jedes Menschen wieder (Stück für Stück) einzuschränken. Erschreckenderweise wird das sogar von einem mal kleinerem, mal größerem Teil der Bevölkerung mindestens desinteressiert hingenommen oder gleich aktiv unterstützt.

 


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