Dienstag, 1. Dezember 2020    

Sehnsucht und Sehnen

Marianne BrandtHerr, vor dir liegt all mein Sehnen, und mein Seufzen ist dir nicht verborgen.
Psalm 38,10

So machen wir Sie auf unseren Adventskalender aufmerksam. Was ist es, das Sehnen? Die Sehnsucht?

In der Sendung „Kulturzeit“ vom 27. November 2020 war ein Gespräch mit dem Philosophen Peter Strasser zu sehen. Er wurde zur Sehnsucht befragt. Peter Strasser ordnete die Sehnsucht in der Pandemie als eine flache Sehnsucht ein. Es ginge um etwas sehr Konkretes, das Wiederherstellen des alten Status-quo. Er kontrastierte diese Sehnsucht mit einer, bei der es um das Erreichen und Erhoffen von etwas Unmöglichem ginge. Die Sehnsucht heute beflügele in erster Linie Techniker, Virologen und Politiker, die Lage in den Griff zu bekommen. Krankhaft werde die Sehnsucht, wenn sie zur Weltflucht werde.

Hat Peter Strasser recht, der Techniker, Virologen und Politiker als beflügelte Bewältiger der Krise sieht? Ich meine nicht. Wir alle haben Neues gewagt, weil wir es mussten, es anders nicht ging. Und wir tragen weiter dazu bei, dass wir die Krise gemeinsam gut bewältigen.

Flüchten wir uns in eine unspezifische Sehnsucht, weil wir die Wirklichkeit nicht ertragen? Wollen wir die Leere, die leere Zeit mit etwas füllen?

Rainer Maria Rilke findet diese Antwort:

Das ist die Sehnsucht:
Wohnen im Gewoge und keine Heimat haben in der Zeit.
Und das sind Wünsche:
Leise Dialoge täglicher Stunden mit der Ewigkeit.

Die hier beschriebene Sehnsucht passt besser zu meiner Sichtweise. Das Sehnen aus christlicher Perspektive ist für mich ein Sehnen nach Geborgenheit und die Gewissheit, nie tiefer als in Gottes Hand zu fallen, wie Margot Käßmann es formulierte. Es ist das Sehnen nach Gottes Nähe.

— Marianne Brandt

 


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